Wie man auf einer Messe die Liebe und darüber zum virtuellen Pückler findet

Oder wie Walter Schönenbröcher mehr als ein Dutzend Firmen sammelt, für die große Liebe alles über den Haufen wirft und schließlich in der Pücklerstadt als Pionier virtueller Welten mit Lausitzer Gesichtern Preise auf vier Kontinenten gewinnt.

Sollte dem Filmemacher Walter Schönenbröcher einmal der Stoff ausgehen, sein eigenes Leben wäre sicher ein Drehbuch wert. Es erzählt die Geschichte vom unternehmerischen Aufstieg im gigantischen Internetboom samt Traum vom großen Geld, von Liebe, die alles verändert und schließlich vom Aufbruch in virtuelle Welten. Geboren wurde Walter 1964 in der Nähe von Köln, wuchs dort auf und absolvierte das Abi. Sein Faible für Informatik brachte ihn zum Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften nach Aachen, im Schlepptau sein Apple Ile mit damals phänomenalen 64 kB Arbeitsspeicher. Für den Kölner Jung‘ war Aachen dann doch zu angestaubt, so zog er mit Freundin und Freunden nach Berlin um und setzte sein Studium dort fort. Es war kurz nach der Mitte der 1980er-Jahre, als das Internet gerade seinen Kinderschuhen entwuchs.

Damals war er mit IT-Leidenschaft und EDV-Kenntnissen ein echter Exot, fand aber schnell heraus, wie gewinnbringend das sein kann. 1988 gründete er mit einem Freund die erste GmbH, es folgten etliche Firmen, eine der ersten Internetagenturen Deutschlands und eine wilde Zeit mit prall gefüllten Konten und finanziellen Abstürzen. Diesem Trubel opferte er kurz vor der Ziellinie sein Diplom und war schnell im Hamsterrad des Unternehmertums gefangen. Beträge wurden hin- und hergeschoben, Firmen gegründet, gekauft und wieder verkauft. Zeitweise über 60 Leute arbeiteten in den Teams am digitalen Traum. Es wurde reinvestiert, große Player wie Suzuki Europa, Sixt und Techem zierten die Kundenliste. Beim ersten Platzen der Onlineblase in den 2000er-Jahren verloren fast über Nacht zwei Drittel der Mitarbeiter den Job, mit Ach und Krach überlebte das Firmennetzwerk und richtete sich mit Softwareprodukten und Online-Marketing wieder auf. Es wuchs erneut und das Karussell der Firmen drehte sich unentwegt. Als Internetunternehmer mit Familie, Haus samt Pool am Berliner Stadtrand und besten Zukunftsaussichten schien das Leben auf der Überholspur vorgegeben. Walter Schönenbröcher war ein echter Macher.
Dann kam das Jahr 2008 und eine erste Vollbremsung. Im Rausch des Unternehmertums kam das echte Leben abhanden, die Beziehung fand nach 24 Jahren Ehe ein Ende, die Sinnfrage klopfte an die Tür. Genau in diesem Moment lernte Walter Schönenbröcher seine Zukunft kennen, die ihn vier Jahre später dann gänzlich einholen sollte. Es war eine Messe in Berlin, bei der er Aussteller und die Cottbuser Sängerin Kathrin Clara Jantke Gast auf der Bühne war. Sie stellte ihr neues Album vor – den Titel „Irgendwann beginnt jetzt“ scheint das Schicksal gewählt zu haben. AC/DC Fan Walter konnte dem Schlager nichts abgewinnen, ein Gespräch nach ihrem Auftritt blieb ihm aber in Erinnerung. Sie wurden Facebook-Freunde und nach über drei Jahren war es ein netter Post von ihr, auf den er antwortete – und zwei Treffen weiter war aus irgendwann jetzt geworden.

Walter trat das zweite Mal auf die Bremse, hängte den Internetunternehmer endgültig an den Nagel und zog zu seiner Liebe, nach Cottbus. Die Zeit der Selbstverwirklichung brach an. Schon zwei Jahre zuvor hatte er mit dem Fotografieren begonnen – nun wollte er endgültig seiner Leidenschaft aus Licht und Pixeln nachgehen. Er teilte seine Werke mit der Welt und gewann 35.000 Follower. Ottfried Fischer, Alice Brauner und weitere Promis machten ihn zum Starfotografen. Es folgten Ausstellungen in London, New York und Barcelona. Parallel baute er ein beachtliches Portfolio bei der italienischen Vogue auf, die einige seiner Bilder veröffentlichte.
In diesen Höhenflug platzte 2017 Virtual Reality als neuer Hype, bei dem er sein Faible für Technik mit Kunst und Bilderwelten verbinden konnte. Erste VR-Filme korrespondierten mit einer zuvor angefertigten, preisgekrönten Fotoserie zu traditionellem Handwerk. Eine weitere Filmserie widmete sich Cottbuser Künstlern. Heute ist es wohl ein Glücksfall, dass ihr Finale den Start der Pandemie traf. So war plötzlich viel Zeit, die er für Einreichungen der Filme auf rund 40 internationalen Festivals nutzte. Es folgten Preise im Wochentakt, aus Los Angeles, New York, Tagore – von vier Kontinenten wurden Trophäen in die Pücklerstadt geschickt.
Heute träumt Walter Schönenbröcher von seiner virtuellen Lausitz, oder besser gleich von einem virtuellen Europa. Für die Lausitz sieht er im illustren Pückler den passenden Wegbegleiter für seine virtuellen Welten. Er hat sich in seine Briefe eingelesen, dem Fürsten im Park nachgespürt. Kein anderer steht seines Erachtens so sehr für Fantasie und Veränderung. Das gleiche möchte man eigentlich auch dem Kölner Jung‘ ins Buch schreiben, der heute weitaus mehr für die verrückte Pücklerstadt glüht als so manch Einheimischer.

PDF Dokument

PRESSE „Lausitz Magazin“